Neuer Bürgermeister, neues Glück?

Neuer Bürgermeister, neues Glück? Es ist ein neuer Bürgermeister gewählt worden und da wollen wir doch einmal sehen, ob der etwas taugt.

Die Terminfindung verheißt nichts Gutes

In unserem Ort ist ein neuer Bürgermeister gewählt worden. Der alte Bürgermeister hat, wie auch immer, dreimal das Rennen gemacht und außer einem riesigen Berg von Schulden und einer geteerten Straße, nichts weiter nennenswertes hinterlassen.

Beim letzten Bürgermeister habe ich bereits mein Glück versucht, um damals die Situation um meinen Wohnort zu verbessern. Darüber habe ich schon ausführlich berichtet. Ein bisschen davon wurde umgesetzt, aber nur deshalb, weil ein Ratsmitglied sich dafür eingesetzt hat. Der Bürgermeister selbst vermied es tunlichst, mit mir zu reden.

Nun gibt es einen neuen Bürgermeister und ich will die Gunst der Stunde nutzen, solange er noch frisch und unverbraucht ist, wieder einmal meine Belange vorzutragen. Es sind ja keine egoistischen Wünsche, die ich da habe, es dient dem Allgemeinwohl in jeder Hinsicht. Der Gesundheit, dem Tourismus, Stolz auf seine Heimat und ja, ich gebe es zu, ein bisschen auch für mein Business.

Also gehe ich mal wieder zum Rathaus und vereinbare persönlich einen Termin. Eigentlich gehe ich in der Hoffnung, dass der Bürgermeister sofort Zeit hat. Aber weit gefehlt. Also Termin vereinbaren, die Sekretärin kennt mich noch, es ist die Gleiche wie schon beim letzten Bürgermeister. Sie sagt mir auch gleich, dass der neue Bürgermeister wesentlich besser sei als der Alte.

Kaum bin ich zu Hause, klingelt schon mein Telefon und der eben vereinbarte Termin wird schon wieder verschoben. Toll, denke ich, wenn das so weiter geht, dann wird das wieder nichts.

Die Vorgeschichte – warum ich mit dem Bürgermeister sprechen möchte

Warum ich wieder einmal einen Termin mit dem Bürgermeister haben möchte, ist eigentlich ein ganz banaler. Als Immobilienmaklerin will ich nicht nur die optimale Immobilie für meine Kunden, ich möchte auch, dass das drumherum stimmt. Wenn es das nicht tut, dann mache ich kein Geschäft. So simpel, so schwierig. Denn das eigentliche Ärgernis ist der Müll, den die Menschen einfach in die Prärie schmeißen, ohne sich Gedanken zu machen.

Warum das so ist, darüber habe ich schon mit verschiedenen Personen diskutiert. Die einen sagen, es sind die vielen Ausländer, die sich ohne Bleiberecht aufhalten, somit können sie keinen Wohnsitz anmelden und ohne Wohnsitz wird kein Müll abgeholt.

Die andere Version ist, als vor ein paar Jahren neue Mülleimer ausgegeben werden, wird jeder registriert, der seine Mülleimer für Papier, Restmüll, Plastik, Organik und Glas/Metall abholt. Ja, ja, auch auf Sizilien wird der Müll seit Jahren getrennt. Mit der Registrierung wird man auch jährlich zur Kasse gebeten und genau dieses Geld möchten sie sparen.

Eine dritte Version ist, dass sich die Menschen dagegen sperren, den Müll zu trennen und wünschen sich, wie früher, die großen Tonnen zurück, in die man einfach am vorbeifahren, den Müll hineinwerfen konnte – oder auch nicht. Das sah dann in etwa so aus:

So kommt es, dass bei Nacht und Nebel genau jene Personen ihre Autos voll laden, oder morgens ihre Mofas bestücken und dort, wo scheinbar niemand ist, ihren Müll entsorgen.

Mir ist eigentlich egal, welche Version stimmt oder nicht, ich will einfach, dass es besser wird.

Der Stein, der das Ganze ins Rollen bringt

Ein Kunde also, will ein Grundstück kaufen und sagt, wenn seine Frau sieht, dass da viel Müll herumliegt, dann will die das nicht. Ich sage ihm, dass ich mich darum kümmern werde. Auf der Homepage der Gemeinde suche ich mir den passenden Ansprechpartner heraus und schreibe ihm eine ausführliche und noch nette E-Mail. Aber auch nach zwei Wochen des Wartens bekomme ich keine Antwort. Mein Nachbar empfiehlt mir, einen Kandidaten anzurufen, der sich für die gerade laufende Bürgermeisterwahl aufstellen lässt. Denn der ist sicher daran interessiert, schließlich braucht er gute Wahlthemen, um zu gewinnen.

Ich denke mir, die Idee ist gar nicht so schlecht und rufe den Kandidaten gleich an. Aber ich komme gar nicht so weit, um mein Anliegen vorzutragen. Er unterbricht mich noch während ich ihn begrüße und sagt, er möchte nichts kaufen! Häh denke ich, und sage ihm, dass ich doch gar nichts verkaufen will! Sein Schlusssatz: „Ich habe keine Zeit!“, und legt auf. Was ich von dem in diesem Moment halte, das schreibe ich hier besser nicht. Aber meinen Wunsch, den ich zum Himmel schicke, sollte wahr werden; er wird nicht gewählt! Nicht nur ich finde ihn super arrogant, es finden offensichtlich noch viele andere auch.

Meine Wut als Antrieb

Diese Arroganz macht mich stinke sauer und fahre deshalb direkt zur Ortspolizei. Als mir die Sekretärin endlich die Türe aufmacht, sagt sie, dass niemand da ist, der ein Protokoll aufnehmen kann. Ich soll doch um kurz vor 12 Uhr wieder anrufen, um einen Termin zu vereinbaren. Sie darf das nicht. Die Sekretärin erzählt mir noch, dass der Zuständige auf dem Rathaus, welchem ich das E-Mail geschrieben habe, nicht mehr dort arbeitet, deshalb kann auch niemand antworten. Aha, so ist das also, alte Homepage und auch ansonsten läuft da nichts rund. Alles andere hätte mich schon gewundert.

Also rufe ich, wie von ihr empfohlen, um kurz vor 12 Uhr bei der Polizei an, aber es geht niemand ans Telefon. Jeder der mich kennt weiß, dass ich lange ruhig bleibe, aber wenn mich jemand zur Weißglut bringt, dann ….

Ein weiterer Versuch, meinen Puls zu beruhigen

Was soll ich sagen, meine Wut steigt und steigt. Ich schaue nach den Öffnungszeiten der Ortspolizei und sehe, die machen morgens um 8 Uhr auf. Also stehe ich Tags drauf um Schlag 8 Uhr wieder vor der Tür der Ortspolizei, um zu vermeiden, dass mir keiner entwischt. Ein Beamter öffnet mir und hört sich meine Beschwerde an. Im Empfangsraum gibt es nicht viele Möbel, die den Schall schlucken und da ich schon ein paar Eigenheiten der Sizilianer angenommen habe, kommen die anderen Beamten aus allen Ecken, um zu schauen, wer sich da so aufführt.

Ergebnis ist, dass ich mit meinem Anliegen aufs Rathaus soll, die Polizei könne nichts für mich tun. Ich sage dem Polizisten, wenn da nichts dabei herauskommt, dann mache ich eine Anzeige gegen die Gemeinde, denn schließlich geht es auch um die Gesundheit und dann würden wir uns wiedersehen.

Eine letzte Chance gebe ich also der Gemeinde noch und rufe im Rathaus an. Auch dieser Beamte kennt mich schon von diversen anderen Besuchen und irgendwie wirkt er eingeschüchtert. Was sich aber letztendlich als praktisch herausstellt, denn einen Tag vor der Anreise meiner Kunden wird der Müll weggeräumt und ich kann das Grundstück verkaufen.

Ich bin aber in keiner Weise zufrieden, denn das Grundproblem ist nicht gelöst und deshalb will ich den Termin beim Bürgermeister haben und damit zurück zum Anfang der Geschichte.

Endlich, der Termin im Rathaus

Bis ich schlussendlich im Rathaus sitze, wird der Termin noch zweimal verschoben.

Da sitze ich also in einem Büro oder in einem Besprechungsraum, ich kann es nicht richtig einschätzen und weil ich so lange warten muss, mache ich Fotos. Auch wenn es wirklich nicht viel zum Fotografieren gibt.

Mich überrascht nichts mehr

Welch Überraschung, nein, eigentlich ist es keine Überraschung, es ist eine Enttäuschung. Der Bürgermeister lässt sich entschuldigen, er habe viel zu tun – mal wieder! Der Neue scheint gleich zu sein wie der Alte. Mir gegenüber setzt sich die Vizebürgermeisterin und ein Ratsmitglied.

Ich erzähle mein Anliegen, dass man mit dem Müll nicht arbeiten kann. Es ist ja nicht nur mein Problem, sondern auch das der Gemeinde. Ohne zahlungskräftige Mitbürger kommt auch kein Geld in die Kasse. Sie versteht, so sagt sie. Aber sie versteht gar nichts! Ich sage ihr, dass meine Kunden vor dem Besichtigungstermin ja selbst die Gegend anschauen und wenn da zu viel Müll herumliegt, dann kaufen die nicht. Klar gibt es Kunden die sind empfindlicher und welche denen macht das gar nichts aus. Es gibt auch solche Kunden, die meinen Sizilien sei Deutschland. Nur das die Immobilienpreise günstiger sind und das Wetter besser. Die Vize sagt, ich solle ihr sagen, in welchen Straßen die Leute herumfahren, dann lässt sie dort aufräumen. Das ist ja nett gemeint, aber sie hat es einfach nicht verstanden! Immerhin, der Wille scheint da zu sein, nur nicht das Verständnis.

Es gibt noch viel Blabla, dann verabschiede ich mich und gehe. Wie ich aus dem Büro laufe, sehe ich den Bürgermeister alleine in seinem Büro sitzen, der ja, ach so beschäftigt ist, aber ich sehe ihn vor einem leeren Schreibtisch hocken! Mal wieder steigt mein Puls und ich frage mich zum x-ten mal, neuer Bürgermeister, neues Glück?

Das Ende der Geschichte

Neulich sehe ich einen Kommentar des neuen Bürgermeisters auf Facebook:

https://www.facebook.com/giacomo.anastasi.12/posts/pfbid02YgjtdMnpzGE6SVf3aGyYZJZdri8q8LwZaycqL623a5wFB75x97ZmnCUbhdnknY8Wl

Hier die Übersetzung:

„Die Stadtverwaltung hat eine neue Maßnahme zur Bekämpfung der Ablagerung von #Abfällen auf den Straßen ergriffen: Der Stadtrat von Anastasi hat in einer Entschließung festgelegt, dass die Stadtpolizei vorsorglich die Fahrzeuge beschlagnahmt, mit denen die Verstöße begangen wurden, und dass diejenigen, die das Bußgeld nicht bezahlen, ihre Fahrzeuge beschlagnahmt werden.
???? „Die wahllose Ablagerung von Abfällen ist eine Notlage, die wirksam und endgültig bekämpft und beseitigt werden muss. Es ist nicht mehr möglich, das ständige Vorhandensein von Müll in den Straßen oder das Entstehen von Kleinstmülldeponien zu tolerieren, die unsere Bemühungen um die Sauberkeit und Verschönerung unseres Gebiets zunichte machen“, erklärt Bürgermeister Giacomo Anastasi und fügt hinzu: „Wir sind uns bewusst, dass Bußgelder heute kein ausreichendes Abschreckungsmittel mehr sind, um das Phänomen der Vermüllung einzudämmen, da sie nicht geeignet sind, die Ziele der Prävention, der Repression und der Umerziehung der Bürger zu erreichen, und haben daher beschlossen, „überzeugendere“ Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die unsere Stadt weiterhin verschmutzen: Wer dabei „erwischt“ wird, wie er in irgendeiner Ecke des Territoriums Müll zurücklässt und damit die Gesundheit der Umwelt und der Bürger gefährdet, riskiert, wenn er das Bußgeld nicht bezahlt, die Beschlagnahmung seines Autos oder Motorrads, das dann gemäß den geltenden Vorschriften veräußert, abgetreten oder an öffentliche Einrichtungen übergeben wird. Die Einwohner von Petrosino müssen in einer sauberen Stadt leben können, in der ab heute, wie in anderen sizilianischen Gemeinden auch, diejenigen, die die unverantwortliche Angewohnheit haben, ihren Müll auf der Straße zu hinterlassen, zweimal nachdenken müssen“.

Naja, ich bilde mir zumindest ein, dass der Bürgermeister vielleicht doch zugehört hat, als er so scheinbar untätig hinter seinem Schreibtisch saß. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, wie das Ergebnis aussieht. Aber die Zeichen stehen auf Grün, ich bin zuversichtlich und endlich kann sich mein Puls wieder beruhigen. Vielleicht doch: Neuer Bürgermeister, neues Glück.

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