Fast wie ein Tag im Jahr 1865

Fast wie ein Tag im Jahr 1865. Das Jahr in dem der Strom erfunden wurde.

Fast wie ein Tag im Jahr 1865. Ja, so fühlte ich mich! Im Jahr 1866 wurde der elektrische Strom erfunden. Ich habe zwar doch einen gewissen Luxus, den es im Jahr 1865 noch nicht gab, aber eben keinen Strom.

Am besten fange ich von vorne an. Sturm ist angesagt, aber das sind wir ja schon gewohnt, dachte ich. Tagsüber wurde der Wind langsam aber stetig immer stärker. Gegen Abend dann war er so stark, dass er mir bereits meine Stühle von der Terrasse in den Garten wehte und meinen Rasenmäher fand sich auf der Wiese wieder. Mein Zaun wackelte bedrohlich und ich befürchtete schon, dass er am Tag darauf nicht mehr an Ort und Stelle sein würde. Aber was konnte ich ändern, nichts! Also, Fensterläden dicht und ab ins Bett.

Einer hat immer Schuld

Als ich am frühen Morgen die Augen aufmache, da wusste ich gleich, der Strom ist weg. Wäre ja nicht das erste Mal, bei den morschen Pfosten, die der italienische Stromanbieter noch im Einsatz hat, kombiniert mit Sturm, da wundert es mich nicht, das der Strom weg ist. Die Masten sind bestimmt wie Streichhölzer umgeknickt. Wie sagt mein Freund immer „alles Mafia – auch der Stromanbieter“! Ich kann’s eigentlich nicht mehr hören, das ganze Mafiagedöns, aber in dem Fall, da muss ich ihm glaub recht geben.

Beim letzten Stromausfall, da musste ich nur am Stromkasten, der außerhalb meines Grundstücks liegt, die Sicherung wieder rein machen. Das will ich nachher versuchen, aber jetzt ist es noch stockdunkel und ich würde eh nichts sehen. Also suche ich mit meiner Handytaschenlampe* ein paar Kerzen* zusammen und zünde sie an. Der morgendliche Gang zur Toilette gestaltet sich da schon schwieriger, denn bei mir heißt es ohne Strom kein fließendes Wasser. Die Pumpe* muss nämlich aus der Zisterne das Wasser ins Haus pumpen. Zum Glück habe ich das Putzwasser vom Tag zuvor noch im Eimer*, das ist ganz praktisch, denn Putzmittel ist auch schon drin.

Ich mache mir einen Kaffee*, denn ich habe einen Gasherd*, aber der zündet auch nicht von alleine, also wieder Streichholz* suchen und Feuer machen.

Endlich wird es hell, jetzt sehe ich, dass mein Tor offen ist, der Wind hat es aufgerissen und in meinem Garten ist ein Rudel streunender Hunde. Die muss ich erst mal verscheuchen* und das Tor schließen. Aber es windet nicht, es stürmt, und zwar so, dass ich  die Türe  kaum aufmachen kann. Ich bewaffne mich mit einem Schraubenzieher* und gehe wieder hinaus, schaue, ob der Nachbar auch keinen Strom hat. Das ist immer besser, denn wenn es nur mein Problem wäre, das hieße das, dass man mir nachts entweder die Kabel geklaut hat oder das, was kaputt ist. Aber seine Kontrolllampe ist auch aus, das beruhigt, es ist also ein generelles Problem. Ich versuche den Kasten zu öffnen, denn der Sturm ist wirklich extrem. Nun Sicherung raus und wieder rein, Knopf drücken und… nichts tut sich. Also wieder ins Haus und warten.

Das Spiel treibe ich noch zig mal an diesem Tag, auch schalte ich immer wieder die Lichtschalter an, in der Hoffnung, dass der Strom doch ganz unverhofft zurückkommt – aber leider immer vergebens.

So, was tut man im 20. Jahrhundert ohne Strom. Mein Handy konnte während der Nacht zwar etwas geladen werden, aber auch nicht voll. Film gucken ist also nicht drin. Es regnet. Nein, es regnet nicht, eimerweise kommt das Wasser quer angeflogen. Ich schaue vom obersten Fenster meines Hauses aufs Meer, es ist total aufgewühlt und braun, meterhohe Wellen, es sieht nicht gut aus.

Aber was macht man nun an einem Tag, an dem man nicht raus kann und an dem es keinen Strom gibt? Ich bin ja ein Mensch der gerne Handarbeitet, also schaue ich nach, was mein Vorrat hergibt. Ich habe keine Sockenwolle* mehr, das wäre jetzt genau das Richtige, ich finde nur Sommerwolle. Na gut, dann stricke ich eben ein Sommerkleid, der nächste Sommer kommt ja auch irgendwann wieder, Hauptsache ich bin beschäftigt.

Glücklicherweise fällt mir ein, dass ich ja noch einen Booster* habe, um meine Autobatterie im Notfall zu starten. Ich habe ja jetzt irgendwie auch einen Notfall, also hänge ich mein Handy ran und höre mir ein Hörbuch von Paulo Coelho an „Der Alchimist*“. Eine bessere Unterhaltung hätte ich mir nicht wünschen können. Die Geschichte betrifft mich irgendwie auch. Ich höre also und stricke.

Es könnte noch schlimmer sein

Dann sehe ich meine Nachbarn, sie haben mit Kanistern Wasser vom Meer geholt. Klar, die haben keine Zisterne hinterm Haus, sondern auf dem Dach und wenn die leer ist, dann wird ohne Strom kein Wasser aufs Dach gepumpt. Ich kann wenigstens den Deckel aufmachen und mir das Wasser raus schöpfen, meine Zisterne steht auf dem Boden. Zum Glück war der Wasserlieferant tags zuvor da. Ich hätte das Wasser zwar schon am Sonntag gebraucht, aber da konnte er nicht, obwohl er mir beim letzten Mal sagte, dass er auch sonntags liefert. Als er dann am Montag kommt, dann sagt er, ich konnte nicht kommen – Fußball ! Klar, das muss man verstehen. So hatte ich also schon einen Tag zuvor den Vorgeschmack auf einen wasserlosen Tag.

Anruf beim Stromlieferanten

Beim Stromlieferanten gibt es eine Notfall Nummer, da rufe ich an, denn gegen Mittag bin ich nicht mehr so entspannt wie am Morgen. Alles automatisch, man muss nur der Ansage folgen und je nach Wunsch diverse Nummern wählen. Zum Schluss bekommt man eine Nummer gesagt. Das ist quasi die Projektnummer für seinen Fall. Ich denke mir, Kontrolle ist besser, also rufe ich gleich nochmal an und drücke nun die Taste um den Status für seinen Fall abzufragen, ich will hören, ob unter meiner Nummer auch der „guasto“ also der Fehler registriert ist. Was höre ich da? Wegen eines technischen Defekt kann man mir keine Auskunft geben! Na sowas! Das ist auch nicht grad die Antwort, die mein Vertrauen in den Stromlieferanten stärkt.

Gegen 16 Uhr werde ich langsam echt nervös. Diese Arbeiter machen bestimmt bald Feierabend, falls sie bei dem Wetter überhaupt angefangen haben zu arbeiten. Ich beschließe jetzt doch schnell ein paar Kerzen zu kaufen und sicherheitshalber Trinkwasser*. Es wird nämlich langsam dunkel.

Als ich wieder zu Hause bin, zünde ich meine Grabkerzen* an. Ja, es gab leider nur Duftkerzen* die ich nicht ausstehen kann, oder eben Grabkerzen, diese in rotem Plastik eingehüllten Kerzen. Ich schneide aber diesen komischen Deckel oben ab, damit das keine so gruselige Grabesstimmung macht. In meinem Haus ist es mittlerweile stockdunkel.

Ich koche, erleuchtet von vier Teelichtern, ein Pilzragout*, dass echt fade schmeckt, aber wenn man nichts sieht, dann sieht man auch nicht, wie viel Salz man rein streut.

Die Hunde haben, bis auf ein paar regenfreie Phasen, fast den ganzen Tag geschlafen. Mit meiner restlichen Batterie lese ich noch die Nachrichten. Es ist fast halb zehn und was sehe ich da am Fernseher? Ein rotes Licht! Der Strom ist zurück! Ich mache das Licht an und meine Laune steigt ins fast unermessliche. Die Hunde blinzeln mich an und verstehen sicher nicht, warum ich den ganzen Abend im Dunkeln saß.

Fast wie ein Tag im Jahr 1865 – nur besser

Ich denke mir, so ein Tag ohne Strom, das wirft einen gleich mal um 150 Jahr zurück, ja fast wie ein Tag im Jahr 1865. Eigentlich ist das keine lange Zeit, aber was wir in diesen 150 Jahren so alles angestellt haben, damit wir ohne Strom mehr schlecht als recht leben können, das ist schon etwas bedenklich.

Was ich aber auch ohne einen Stromausfall wärmstens empfehlen kann, das ist das Hörbuch Der Alchimist von Paulo Coelho! Ich weiß nicht, ob ich ohne Stromausfall auf die Idee gekommen wäre, es mir anzuhören. Und mein Sommerkleid, das mache ich beim nächsten Stromausfall fertig 😉

2 thoughts on “Fast wie ein Tag im Jahr 1865

    1. Ja, ja, dass würde dir so gefallen! Dann bist jedenfalls herzlich dazu eingeladen 😉

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