Was bedeutet Respekt für einen Sizilianer? Früher war alles anders und manchmal besser. Sogar der Respekt anderen gegenüber ist nicht mehr das, was er einmal war, so sagt man mir.
Neulich habe ich ungewollt einem Streit beigewohnt, der mit einem saftigen Schlag ins Gesicht endet und eine Anzeige für den Schläger nach sich zieht.
In diesem Streit geht es um Respekt, Respektlosigkeit und dem „Ich-bin-älter-als-du-und-habe-deshalb-Recht“.
In Deutschland höre ich nicht viel über Respekt. Schon gar nicht darüber, dass Ältere nur deshalb recht haben, weil sie älter sind und deshalb respektiert werden müssen. Daher habe ich mich gefragt, was Respekt noch auf Sizilien bedeutet. Denn immer wieder läuft mir dieses Wort über den Weg? Um der Frage bzw. den Antworten nachzugehen, habe ich mehrere Sizilianer befragt und Folgendes zur Antwort bekommen:
Wie war es früher?
Ich befrage also verschiedene Sizilianer nach der Bedeutung des Respekts auf Sizilien. Die kürzeste Antwort war: „Un cazzo!“ Das bedeutet in etwa: „Einen scheiß!“.
Mir wird erzählt, dass es früher sogar so war, dass die Eltern das „Fleisch“ bekommen haben, also das Beste von dem, was auf dem Tisch stand und die Kinder den Rest. Das war Respekt den Eltern gegenüber zu zeigen. Wenn sich Eltern heute darüber beschweren, dass ihre Kinder keinen Respekt mehr vor ihnen haben, wird immer noch aus diesen Zeiten mit den Worten zitiert: „Du lässt mir nicht mal mehr das Fleisch“.
Es galt auch als respektvoll, wenn man Anweisungen so ausführte, wie sie angeordnet wurden, ohne nachzufragen, warum wird das so gemacht. Man musste es einfach so tun, wie es einem gezeigt oder gesagt wurde.
Als Beispiel wird mir erzählt: Wenn man also mit dem Onkel im Weinberg war und der sagte: „Hör her, Junge, du musst den Trieb so aufpfropfen„, dann war das so zu machen. Ist das Interesse aber größer und der Junge wollte genau wissen, warum man die Triebe genau so aufpfropfen sollte, dann galt das als respektlos. Wurde der Junge dann vom Onkel nach getaner Arbeit nach Hause gebracht, dann beschwerte sich der Onkel beim Vater, dass der Junge respektlos sei und der Junge kassierte nicht selten noch eine Ohrfeige vom Vater.
Wie ist es heute?
Nach meinen Recherchen zählt heute das Recht des Älteren und wird von vielen als Hierarchie bezeichnet. Also die Hackordnung vom Älteren oben nach unten zu den Jüngeren. Was nichts mit Respekt zu tun hat, sondern mit den Holzköpfen derer, die sich mit Worten nicht zu wehren wissen. Sie fühlen sich im Unrecht, ob sie es sind oder nicht. Deshalb spielt es für einen 70-Jährigen keine Rolle, wenn er einem 45-Jährigen eine Ohrfeige verpasst. Denn schließlich ist er der Ältere und hat Recht und will respektiert werden. Für den Älteren stellt alles andere eine Beleidigung dar.
Mir wird aber auch gesagt, dass dieses Verhalten oft mit dem Stand der Bildung einher geht. Je weniger Bildung, desto mehr Holzköpfigkeit.
Das Ergebnis der Befragung
Auch wenn früher die Ohrfeige des Vaters schmerzt und gestellte Fragen offen bleiben, so blickt doch der ein oder andere zurück und sagt, dass es früher wirklichen Respekt gab, der heute leider nicht mehr oder nur selten vorhanden ist.
Vermutlich fasst also die kürzeste Antwort, die ich zum Thema Respekt erhalten habe, den heutigen Stand zusammen.