Villa Araba und die Vorstellung einer antiken Villa

Villa Araba und die Vorstellung einer antiken Villa. Was so alles passieren kann, wenn die eigene Vorstellung mit der eines anderen nicht zusammen passt.

Nach all dem Virus-Gedöns ist es mal wieder Zeit für etwas Kultur und sizilianische Geschichte*, so denke ich jedenfalls und schaue auf der Seite von Balarm mal nach, was es alles an Veranstaltungen gibt. Balarm ist eine italienische Seite, auf der alles Mögliche publiziert wird und eben auch Veranstaltungen, die man nach Regionen sortieren kann.

Viel wird noch nicht angeboten, aber immerhin von der Organisation Fondo Ambiente Italiano kurz FAI genannt, wird die Besichtigung der Villa Araba in Marsala angeboten. Das Foto in der Anzeige zeigt schon mal ein Schlossähnliches Gebäude im arabischen Stil welches ich sehr ansprechend und einladend finde.

Sicherheit ist gefragt

In der Anmeldung steht, dass man keine großen Handtaschen* dabei haben darf und man sich beim Empfang mit einem gültigen Personalausweis ausweisen muss. Ich denke mir noch, WOW, das muss ja was Tolles sein, bestimmt ist dieses kleine Schlösschen voll mit wertvollen Ausstellungsstücken aus vergangenen Tagen. Dazu kommt noch, dass die Besichtigung von einem Carabinieri* geleitet wird.

Alles zusammen macht mich wirklich neugierig und ich melde mich sofort online an.

Der Tag der Besichtigung

Am Tag der Besichtigung treffe ich einen Bekannten und frage ihn noch, ob er die Villa Araba in Marsala kennt. Er schüttelt nur den Kopf „nein, noch nie gehört“. Ah ja, das allerdings macht mich das erste Mal stutzig.

Ich lasse mich aber nicht beirren und fahre zur Villa. Auf Google Maps sehe ich schon, dass sich direkt daneben der Standort der Carabinieri von Marsala befindet. Auch da denke ich mir nichts dabei, denn schließlich ist Marsala im Stadtkern eng bebaut und wer weiß was inzwischen aus dem Garten einer Villa Araba geworden ist.

Also, parken, anmelden, Fieber messen und warten. Ich bin nicht die erste, ein paar Marsaleser im Rentenalter stehen schon da und warten. Ich beginne gleich Fotos* zu machen, denn wer weiß, wie viele Interessierte noch kommen. Leider ist es nicht möglich ein Foto ohne Carabinieri zu machen, es gibt einfach zu viele hier.

Irgendwie sehe ich interessiert aus, ich werde kurz darauf von drei Männern betreut. Zwei davon sind Schüler, die hier wohl einen Wochenenddienst schieben müssen, denn es gibt nicht nur diese beiden, es sind bestimmt 10 an der Zahl, die hier herumschwirren. Von ihnen und einem Signore wird mir die Geschichte der Villa Araba* erklärt. Sie schmeißen mit Zahlen und Namen um sich, die ich so schnell gar nicht in mein Langzeitgedächtnis packen kann.

Die Geschichte der Villa Araba

Im Grunde ist es so, dass die Villa Araba einst von einem Signor Martinez erbaut wird. Früher war hier eine Weinkellerei und die Hälfte des Jahres wohnten die Angestellten und die Familie Martinez in den Gebäuden der Villa, um die Trauben der Bauern in Empfang zu nehmen, den Wein zu erzeugen und anschließend zu verkaufen.

Die Kellerei wird irgendwann an eine Destillerie verkauft, die wieder etwas anbaut und umbaut und den Ort immer hässlicher macht. Ein reicher Apotheker aus Marsala ist jetzt der Besitzer. Er hat die Gebäude an die Carabinieri vermietet. Jetzt schließt sich endlich mein Gedankenkreis und es wird klar, warum hier so viele Carabinieri herumschwirren.

Es geht los

Endlich geht es los, wir, insgesamt sechs Besucher, werden umringt von Mitgliedern der Organisation FAI, den Schülern und den Carabinieri. Mit allen zusammen sind wir echt ein anschaulicher Haufen. Der Hauptmann der Carabinieri erklärt uns, welches die Aufgaben der Carabinieri sind, welche Nummer man im Notfall anrufen muss und für welche Regionen sie zuständig sind.

Eine der Besucherinnen, eine feiste Matrone, mit ihrem Hündchen – oh Verzeihung – mit ihrem Gatten, stellt irgendwelche Fragen, erzählt Geschichten und klugscheißert herum. Fragt nach der Frauenquote bei den Carabinieri, da nur eine Frau zu sehen ist und stellt fest, wie wichtig doch eine gute Ausbildung sei. So nervig…

Nach dem sich der ganze Trupp, also wir, endlich in Richtung Villa Araba bewegen, werden wir von anderen wartenden Carabinieri in Empfang genommen. Sie demonstrieren und erklären die Motorräder der Carabinieri und wir dürfen die Polizeiautos auch von innen betrachten.

Das Hündchen der Matrone will endlich auch mal was sagen und fragt, warum denn diese Motorräder von BMW* seien und nicht von Motoguzzi* oder anderen italienischen Herstellern. Der Hauptmann erklärt dem Hündchen, dass es Staatsverträge gibt. Außerdem, in anderen Regionen, dort wo die Anforderungen andere sind als in der Stadt, sind andere Marken im Einsatz.

Die Villa Araba und die Vorstellung einer antiken Villa in meinem Kopf hat nichts mit der Realität zu tun! Jetzt endlich schnackselt* es bei mir. Hier geht es nicht um die Villa Araba mit Schätzen aus vergangenen Tagen, hier geht es einzig und alleine um die Carabinieri! Oh Mann, welch eine Enttäuschung!

Also füge ich mich meinem Schicksal und höre ergeben zu. Ich mache meine Fotos und beteilige mich an den Gesprächen. Mir ist jetzt auch nach Klugscheißern und ich will wissen, welche Marke denn die Pistole hat. Man grinst und sagt, das wäre eine Baretta*, aha, also keine deutsche Walther*.

Die Villa Araba

Jetzt ist es so weit, ich dachte schon, wir dürfen gar nicht mehr hinein in die Villa Araba. Ich bin echt enttäuscht, außer dem Treppenhaus und der Fensterform ist wirklich nichts mehr vorhanden, dass an eine Villa erinnert. Jeder Raum scheint mit Technik vollgestopft zu sein. Das ehemalige Schlafzimmer, mit Blick auf die Ruinen der einstigen Destillerie gegenüber, hat auch nichts Romantisches mehr.

Das war’s also mit der Villa Araba, außer ein paar Schnörkel an den Fenstern und dem Namen ist der Rest Vergangenheit.

Als die Besichtigung beendet ist, bedanke ich mich für die Führung und verabschiede mich. Von einer Mitarbeiterin der Organisation FAI werde ich noch gefragt, ob es mir gefallen hat. Ich muss lachen und sage, ja, es war wirklich eine Überraschung. Sie lächelt und sagt, ja man denkt nicht, dass hinter diesen Mauern solch eine Villa verborgen liegt.

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