Die Geschichte von Felice

Die Geschichte von Felice. Wer einst ausgewandert und als Rentner wieder zurück in seine Heimat muss, der hat es oft nicht leicht.

Ich sitze im Restaurant und warte auf mein Essen, da kommt ein älterer Herr herein, sieht mich alleine da sitzen und pflanzt sich direkt an den Tisch nebenan. Das ist etwas, was ich überhaupt nicht leiden kann, wenn ich sofort als potenzielles Opfer für irgendwas herhalten muss. Als Unterhalterin, als Zukünftige, oder sonst etwas, das von Nutzen für den anderen sein könnte. Zugegeben, diese Einstellung ist voreingenommen, aber sie rührt einzig und alleine aus meinen Erfahrungen.

So kommt es, dass ich in dem kleinen und winzigen Restaurant einen Tischnachbar bekomme, der nur durch einen schmalen Gang, getrennt von mir sitzt. Er zögert auch nicht lange mit seinem Vorhaben und fängt sofort an zu plaudern.

Nennen wir den Herrn einfach Felice. In Wirklichkeit hat er einen anderen Namen, aber er stand und steht immer noch in der Öffentlichkeit, daher möchte ich ihn anonym lassen.

Ohne Umschweife erzählt Felice mir seine Geschichte. Er wohnt seit kurzem wieder auf Sizilien, nachdem er 35 Jahre in der Schweiz gelebt hat. Dort hat er als Opernsänger sein Geld verdient. Er ist viel alleine und fühlt sich so einsam, es wäre schwer für ihn eine Partnerin zu finden. Natürlich fühle ich mich in meiner anfänglichen Vermutung sofort bestätigt, dass er sich nur zum baggern* an den Tisch nebenan gesetzt hat.

Als Rentner auf Sizilien

Er möchte weiterhin seinen Wert erhöhen, denn scheinbar merkt er, dass ein Opernsänger bei mir nicht so fruchtet, wie er vielleicht erhofft hat und wirft hinterher, dass er nun 2.400 Franken Rente* bezieht. Mit großen Augen und nickendem Kopf bestätigt er sich selbst, dass er damit auf Sizilien eine gute Partie wäre.

Dann fängt er an zu jammern wie schrecklich hier doch alles sei, so alleine, klar habe er Familie hier, aber er sei trotzdem alleine und außerdem die Häuser, in der Schweiz wäre alles so sauber und schön. Was sich hier eine Villa nennen würde, das würde man in der Schweiz nicht einmal bewohnen. Er ist auch auf der Suche nach einer Immobilie, denn im Moment wohne er noch in Miete. Ich schiebe ihm natürlich sofort meine Visitenkarte rüber, denn beim Thema Haus, da kann ich ihm helfen, bei den anderen Themen, da will ich nicht helfen.

Zu wenig Rente für die Schweiz

Aber langsam geht mir sein Gejammere wirklich auf die Nerven und deshalb frage ich ihn, warum er denn nicht zurück in die Schweiz gehe, wenn hier alles so schrecklich ist? Zuerst möchte er nicht mit der Wahrheit rausrücken, aber ich habe schon eine Ahnung. Als ich ihn in diese Richtung dränge, gibt er es dann schließlich zu. Mit 2.400 Franken kann man in der Schweiz nicht leben!

Das habe ich schon öfters gehört, dass nicht nur Sizilianer in die Schweiz zum Arbeiten gehen, sondern viele Europäer und im Rentenalter* dann zurück in ihre Heimat müssen, weil sie sich ihr Rentnerdasein in der Schweiz nicht mehr leisten können.

Die Geschichte von Felice ist leider eine traurige Geschichte, aber eine Wahre. Daher kann ich nur allen raten, die im Rentenalter in ihre Heimat zurück müssen. Für sie gilt, wie für einen Auswanderer auch, sich schon vor Rückwanderung bzw. Auswanderung in sein Wahlheimatland ein soziales Netz aufzubauen. Denn schließlich kann man sich rechtzeitig ausrechnen, ob die Rente im Alter in der Wahlheimat ausreicht oder nicht. Im Alter findet man nicht mehr so schnell neue Freunde, was nicht nur an einem selbst liegen mag, sondern einfach auch an der Umgebung und den Sitten.

Ach ja, meine Visitenkarte hat er nicht genutzt, um nach einer Immobilie zu fragen, nein er ruft spät in der Nacht an und will mit mir was trinken gehen…

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