Rationiertes Wasser und die Lehre daraus. Wenn auf Sizilien Wassermangel herrscht und das Wasser rationiert wird, kann das zum Nachdenken, aber nicht zwangsläufig zur Erleuchtung führen.
Es ist ein heißer Sommer, Temperaturen in Teilen von Sizilien streifen das Thermometer bei knapp 50 Grad. In unserer Region ist es nicht ganz so schlimm. Uns reichen aber trotzdem 44 Grad bei Tag und 34 Grad bei Nacht. Die Überlegung ein kleines Schwimmbad in den Garten zu stellen erledigt sich durch die Tatsache, dass ausgerechnet jetzt, in dieser Bruthitze, auch noch das Wasser rationiert wird. Aber liegt das wirklich am Wassermangel?
Auf Nachfrage erhalte ich die Antwort, dass es nicht am Wassermangel liegt, sondern daran, dass das Wasser in einem der beiden Brunnen aus denen die Gemeinde das Wasser bezieht, zu hohe Nitratwerte aufweist, weshalb das schlechte Wasser mit dem guten Wasser gemischt wird. Das Ergebnis ist die Rationierung, da mit einem Brunnen eben nicht die ganze Gemeinde den ganzen Tag versorgt werden kann. Daher wird das Wasser nachts aufgedreht, füllt die Wassertanks, über die üblicherweise jeder Haushalt verfügt und wird tagsüber dann wieder abgestellt.
Wer jetzt nur einen kleinen Tank auf dem Dach hat, der hat ein Problem. So wie ich zum Beispiel.
Was mir auch ziemlich stinkt, da habe ich extra meinen Wasserfilter* mitgebracht, um keine Plastikflaschen mehr kaufen zu müssen. Jetzt sagt man mir, dass dieser Filter nicht ausreichend ist, um das Nitrat aus dem Wasser zu filtern.
Man arrangiert sich
Man kann mit wenig Wasser auskommen, wenn aber plötzlich gar kein Wasser mehr kommt, dann wird es schwierig. Blöderweise befinden wir uns gerade in der Tomatenhochsaison und die Tomatensoße will eingekocht* werden, wofür Wasser notwendig ist. Mein Nachbar bringt mir abends 20 kg Tomaten, die ich noch schnell mit dem Restwasser, das sich im Wassertank befindet, wasche und die Flaschen ausspüle. Schließlich wird der Tank über Nacht wieder gefüllt und das Wasser, was ich heute verbrauche, schafft Platz für neues Wasser. So jedenfalls mein Gedankengang.
Diese Rechnung habe ich allerdings ohne die Gemeinde gemacht. Die haben sich vermutlich überlegt, ab dieser Nacht kein Wasser mehr anzuliefern und mein Tank bleibt am Tag darauf fast leer!
Die Tomaten müssen aber eingekocht werden und das mache ich auch. Sehr sparsam gehe ich mit dem Wasser um. Ich verwende Mineralwasser, um die Flaschen auszukochen und komme ganz gut um die Runden. Bis zum Abend dann.
Duschen auf Sparflamme
Der Tank ist so leer, dass die Wasserpumpe bereits rot leuchtet und nicht mehr anspringt. Ich bin vom Tomateneinkochen so verschwitzt, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als mit einer 2-Liter-Flasche Mineralwasser zu duschen. Ich schaffe das und denke, dass man sonst wirklich verschwenderisch duscht, es reicht zum nass machen, einseifen und abwaschen.
Vom Tomatenwaschwasser habe ich in weiser Voraussicht das Wasser aufgehoben. Es ist jetzt mehr als nützlich für die Klospülung. Aber auch da kann ich mir nicht jedes Mal eine Wasserspülung leisten.
Das Ausbleiben des Wassers dauert alles in allem vier Tage. Das Gemüse aus dem Garten wird mit Mineralwasser gewaschen, das Restwasser verwende ich, um das Gemüse zu gießen. Duschen schaffe ich inzwischen mit so wenig Wasser, sodass ich mit dem Rest einer zwei-Liter-Flasche sogar noch die Zähne putzen kann. Ich koche nicht mehr, denn erstens habe ich kein sauberes Geschirr mehr und zweitens lockt das schmutzige Geschirr nur Ameisen an.
Ich erinnere mich an den Tag, an dem der Strom für viele Stunden ausgefallen war und ich im Dunkeln saß. Dabei komme ich zu dem Schluss, dass Wassermangel immer noch besser ist als Stromausfall, denn beim Stromausfall hat man nämlich automatisch auch kein Wasser. Also doppelte Misere.
Die Wurzel des Übels
Mit meinem Vermieter spreche ich natürlich über diese Situation. Er erzählt mir, dass die Brunnen weit oberhalb des Ortes liegen, dort wo die Besiedlung nur ganz spärlich ist, es aber viele Gewächshäuser gibt, die kommerziell Obst und Gemüse anbauen und dabei sicherlich keine Düngevorschriften einhalten. So wie Sizilianer halt sind, eigensinnig und manchmal auch starrköpfig und gleichgültig gegenüber den Gesetzen und den Rechten ihrer Mitmenschen.
Ein weiteres Problem stellen die Sickergruben dar, die ohne Baugenehmigungen erstellt werden und somit keine Imhoff-Sickergruben sind. Das Abwasser fließt deshalb ungefiltert in das Erdreich ab. Diese ein-Loch-Sickergruben ohne Baugenehmigung liegen meistens nicht weit weg von einem Brunnen. Aus dem Brunnen verwenden die Eigentümer dann ihr mit Abwasser gemischtes Wasser. Und wenn sie Pech haben, dann eventuell noch gemischt mit dem Abwasser des Nachbarn, der selbst vielleicht auch eine Sickergrube ohne Baugenehmigung verwendet. Das ist ziemlich ekelig und unverantwortlich allen anderen gegenüber!
So lernt man den Nachbarn kennen
Am Tag Nummer drei ohne Wasser will ich der ganzen Misere einmal selbst auf den Grund gehen. Mein Vermieter, schon ein älterer Herr, hat vor lauter Modifikationen inzwischen so viele Wasserhähne an der Hauswand angebracht, dass er selbst schon nicht mehr weiß, welcher Wasserhahn zu welcher Leitung gehört. Also gehe ich früh morgens, noch in meinem Schlafhemdchen zum Wasserhahn. Dieser befindet sich auf der Rückseite des Hauses, dort wo sich der Eingang meines Nachbarn befindet, den ich in all den Monaten noch nie gesehen habe.
Ungewaschen und spärlich bekleidet stehe ich vor den Wasserhähnen, als mein Nachbar auch nur in Unterhose bekleidet aus seiner Wohnung kommt. Da stehen wir also vor den Wasserhähnen, etwas beschämt und noch schlaftrunken und glotzen uns an. Er denkt wohl auch, dass ihn um diese Uhrzeit niemand sieht, so wie ich halt auch. Nachdem er verlegen sagt, dass er kein Wasser hat, muss ich ihn erst einmal aufklären, dass der Wassertank auf dem Dach steht, zu dem nur ich Zugang habe und dieser leer ist. Wir öffnen diverse Wasserhähne und stellen fest, dass es immer noch kein Wasser gibt.
Na ja, jetzt kenne ich immerhin meinen Nachbarn. Typischer Sizilianer, braun gebrannt, schon mit grauen Schläfen, ein ganz Netter zum Glück.
Langsam reißt mir der Geduldsfaden
Am vierten Tag mit leerem Wassertank kommt mein Kollege angeschlendert, frisch geduscht, mit sauberen Klamotten und fragt mit seiner sizilianischen Lässigkeit, ob ich etwas zu essen habe. Ich stehe gerade unter der Dusche, mit einer Flasche Mineralwasser und versuche den Staub und Schweiß von mir zu waschen. Da platzt mir echt der Geduldsfaden. Ich schreie aus dem Badezimmer, was er sich eigentlich erlaubt, ich esse seit vier Tagen nur Tomaten aus dem Garten, die ich mit Mineralwasser wasche, denn sauberes Geschirr habe ich schon lange nicht mehr und gerade dusche ich mit Mineralwasser.
Auch er hatte kein Wasser, aber seit zwei Tagen läuft es bei ihm wieder, deshalb versteht er nicht, warum ich immer noch kein Wasser habe. Er holt kurzerhand sein Werkzeug und macht sich an die Arbeit. Den Schlauch abgeschraubt stellt er fest, dass ein Stöpsel aus Plastikresten und Dreck den Schlauch verstopft haben. Sofort läuft das Wasser wieder in den Tank, bzw. es tröpfelt in den Tank.
Was man mit Wasser so alles machen könnte
Die Freude ist groß über die paar Tropfen Wasser, die in den Wassertank tröpfeln. Sofort überlege ich mir, wenn der Tank dann am anderen Morgen voll ist, was ich zuallererst mit dem Wasser mache. Das Klo spülen und putzen. Haare waschen, meine Kopfhaut juckt schon ziemlich. Putzen will ich unbedingt, Wäsche waschen muss ich dringend, meine Tomaten gießen, den Hund waschen. Mir fallen zig Dinge ein, die ich dringend erledigen sollte.
Am anderen Morgen schaue ich in den Tank, aber mehr als etwa 100 Liter hat es nicht hinein getröpfelt. Trotzdem, Klo ordentlich spülen, Haare waschen im Sparmodus muss sein, sonst kann ich nicht mehr unter die Leute. Mehr geht nicht, schließlich gibt es ja noch einen Nachbarn.
Und dann plötzlich läuft das Wasser. Urplötzlich und ganz außerhalb der Regel fängt gegen Mittag plötzlich das Wasser anzulaufen. Ich freue mich richtig und denke, so eine Situation mit Wassermangel könnte vielleicht bald immer so sein, wenn es noch mehr Wasserverschmutzung und Ignoranten gibt und keine passenden Kläranlagen. Man wird demütig und freut sich am angeblich alltäglichen. Wassermangel erdet also auch.
Und es gibt mal wieder eine Moral von der Geschicht‘
Mein Nachbar ruft mich an und fragt, ob ich noch mehr Tomaten brauche. Tomatensoße aus 20 kg Tomaten sind für einen Sizilianer gefühlt wie einen Tropfen auf den heißen Stein. Als ich ihm erzähle, dass ich tagelang ohne Wasser war und nur mit Mühe meine Tomatensoße einkochen konnte, sagte er nur, warum hast du das nicht gleich gesagt, dein anderer Nachbar hatte das gleiche Problem und ich habe einfach mit einem Schlauch aus meinem Brunnen seinen Wassertank gefüllt.
Und die Moral von der Geschicht‘, stelle dich morgens zu den Nachbarn auf den Dorfplatz und erzähle all deine Probleme, dann wird dir auch geholfen und zwar sofort.
So, Kommentar Nummer 2 von mir 🙂
Dank dir für den spannenden Bericht. Die Installation auf dem Foto ist absolut typisch sizilianisch!
Bei uns in Buseto Palizzolo ist das Spielchen exakt dasselbe. Das Wasser wird stundenweise aufgedreht und manchmal tagelang abgestellt. Glücklicherweise haben wir einen sehr großen Tank, aber auch den haben wir in diesem Sommer mehrfach leer gekriegt.
Eine Lösung kennst du ja nun für nächstes Jahr. Es gibt noch zwei andere: Beim Municipio freundlich nachfragen und die Situation erklären hat bei uns die Wasserleitung binnen weniger Stunden sprudeln lassen – aber ich weiß aus deinen anderen Artikeln, dass du mit der Stadtverwaltung etwas auf Kriegsfuß stehst. Deswegen Lösung drei, wenn Nachbarn und Stadt nicht helfen können oder wollen: es gibt in der ganzen Provinz diverse Wasserlieferanten die dir mit dem Tanklaster Wasser bringen. In unserem vorherigen Haus in Castellammare del Golfo lief das sogar grundsätzlich so, da es nicht ans Leitungsnetz angeschlossen war und nur eine Zisterne hatte. Kostenpunkt: lächerlich.
Ich weiß nicht wie es in Petrosino ist, aber viele Gemeinden haben ja zusätzlich auch öffentliche Brunnen, an denen du Trinkwasser abfüllen darfst. Wenn es bei dir direkt keinen gibt, dann bestimmt in Marsala oder Mazara del Vallo. Wir haben für den Fall der Fälle einige 15l-Kanister in der Garage stehen, die zur Not an einem der Brunnen gefüllt werden können. Frag dazu einfach mal ältere Leute im Umkreis, die kennen meist alle Brunnen noch aus den Zeiten bevor es hier überhaupt ein Leitungsnetz gab.
Liebe Grüße
Thomas
Lieber Thomas,
vielen Dank für deine vielen und guten Tipps.
Deine Tipps sind tatsächlich sehr hilfreich, wenn das Wasser aufgrund von Mangel fehlt. Bei uns wurde es abgestellt aufgrund hoher Nitratbelastung und dann nützt es nichts, wenn ich die Gemeinde anrufe. Da ich sehr nahe am Meer wohne, sind wir quasi die letzten am Leitungsstrang und es müssten vorher alle anderen auch bedient werden, das hätten die nie und nimmer gemacht. Die Idee einen Tankwagen kommen zu lassen, ist zwar gut, aber mein Tank auf dem Dach fasst nur 1.000 Liter und ein kleiner Tankwagen 7.000 Liter. Das Problem hatte ich schon bei meinem Haus, als der Tank 5.000 Liter fasste, da hat sich der Lieferant schon beschwert, weil er 2.000 Liter immer wegschütten musste. Für die 7.000 Liter bezahlt man 60 € und die 1.000 Liter reichen einen Tag für drei Haushalte maximal. Das ist mir ehrlich gesagt zu teuer, vor allem wohin auch mit den restlichen 6.000 Liter. Öffentliche Brunnen gibt es in Petrosino auch, das wäre tatsächlich eine Möglichkeit gewesen, zu schauen, ob die funktionieren, um sich ein paar Liter Nitratverseuchtes Wasser zu holen ;-D
Freue mich auf weitere Anregungen und Kommentare.
Liebe Grüße
Claudi
Hey,
dank dir für die Rückmeldung!
Na gut, die Gemeinde lasse ich gelten.
Beim Tanklaster: Wir haben immer mit den Nachbarn gemeinsam bestellt und der Fahrer musste nichts weg schütten. Die Zisterne hatte 3.500 Liter und wir sind damit mit zwei Erwachsenen plus Hund immer etwa eine Woche hingekommen, trotz täglicher Dusche.
Zwecks Nitrat: Nimm einen der Brunnen in einem Nachbarort, wenn eure belastet sind. Wobei hier bei uns der öffentliche Brunnen ein Tiefbrunnen ist und nicht im Zusammenhang mit dem Leitungsnetz steht.
Du weißt doch, wenn man hier etwas braucht und lernt, ist es Improvisationstalent und Lösungsorientierung. Oder die gehörige Portion Sizilianische Gleichgültigkeit ????
Hab einen tollen Abend!
Thomas