Weinverkostung in der Kellerei Florio in Marsala. In Deutschland geht man am Sonntag zum Frühschoppen, auf Sizilien geht man zur Weinprobe.
Es ist Sonntag, 11 Uhr. Wir haben uns zu einer Weinverkostung für Marsalawein mit Führung in der Weinkellerei Florio in Marsala angemeldet. Hin und wieder wird auch ein Tag der offenen Tür in Weinkellereien angeboten, da kann man sich die Uhrzeit aussuchen, aber heute müssen wir uns wohl oder übel schon am Vormittag bedudeln, denn diese Führung findet außerhalb des Tages der offenen Tür statt.
Die Kellerei Florio befindet sich direkt am Meer, erste Lage und beste Position. Ich dachte bisher immer, dass die Nähe zum Hafen der Grund sei. Dem ist ganz und gar nicht so, aber dazu später mehr. Da stehen wir nun in zwei Gruppen a ca. 40 Personen und warten auf den Einlass. Als die große Holztüre zu den Lagerhallen aufgeht, strömt uns ein modriger Geruch entgegen, oh Gott, nicht gerade einladend und alles andere als nach Marsala riechend.
Führung durch die heiligen Hallen
Wir werden von Sara, einer waschechten Sizilianerin, in die heiligen Hallen eingelassen. Sie wird uns durch die Hallen führen und den Werdegang des Marsalaweins erklären. Sarah redet nicht nur in Lichtgeschwindigkeit, zwischendurch schafft sie es auch Luft zu holen und gleichzeitig die anwesenden Kinder zurechtzuweisen.
Was sie aber über die Geschichte und den Marsalawein erzählt, ist wirklich interessant und verdient Aufmerksamkeit.
Die Geburt des Marsalawein
Weinbau wurde auf Sizilien schon seit der Zeit der Phönizier betrieben. Es war aber der englische Kaufmann John Woodhouse, der per Zufall die Geburt des Marsalaweins einleitete. Damals, als er bei stürmischem Wetter im Hafen von Marsala anlegen muss, bleibt er nicht auf seinem Schiff sitzen und wartet bis das Unwetter vorbei ist, nein, er geht nach Seemannsart in die nächste Hafenkneipe und trinkt vom sizilianischen Wein. Da die Trauben auf Sizilien im Sommer der heißen Sonne ausgesetzt sind, haben sie einen wesentlich höheren Zuckergehalt, als die der englischen Trauben. Es ist dem Kaufmann Woodhouse schnell klar, dass mit dem süßen sizilianischen Wein ein großes Geschäft in England zu machen ist. Kurzerhand lässt er ein paar Fässer auf sein Schiff laden, um den Wein nach England mitzunehmen und ihn dort bekannt zu machen.
Damit der Wein auf der langen Überfahrt von Sizilien nach England nicht verdirbt, kippt Woodhouse eine gute Portion Acquavit (die pharmazeutische Bezeichnung für Branntwein) in die Fässer. So wird der Marsalawein, wie wir ihn heute kennen, geboren.
Es geht nicht lange, bis sich Vincenzo Florio ebenfalls an die Herstellung von Marsalawein macht und nahe am Meer seine Weinkellerei errichtet.
Wie die Persönlichkeit des Weines geprägt wird
Inzwischen stehen wir vor langen Gängen mit unzähligen Fässern voller Marsalawein. Wir erfahren, dass alle Fässer voll sind und die größten Fässer 15.500 Liter fassen. Das Besondere an der Kellerei ist, dass die Böden aus Tuffstein sind und dadurch ein ganz besonderes Klima geschaffen wird. Ein Klima, das dem Wein seinen einzigartigen Geschmack verleiht.
Die langen Gänge, in denen die Fässer gelagert sind, sind aufsteigend. Das bedeutet, dass die Gänge, welche sich näher am Meer befinden, einen höheren Salzgehalt in der Luft aufweisen und die Temperatur kühler ist. Je näher wir uns dem Ende des Ganges nähern, desto höher steigt die Temperatur und desto niedriger ist die Luftfeuchtigkeit. Das erklärt auch den modrigen Geruch am Eingangstor an den unteren Gängen.
Es sind also die vier verschiedenen klimatischen Gegebenheiten, die dem Marsalawein seinen individuellen Geschmack verleihen. Aber nicht nur, auch das Fass selbst spielt eine Rolle.
„Angel’s Share“ nicht nur beim Whisky
„Angel’s Share“, oder mit den Engeln teilen. Unter diesem Ausdruck versteht man, die Menge an Flüssigkeit, die während der jahrelangen Reifung des Marsalaweins in Eichenholz, „in den Himmel“ verdunstet. Auch dieser Vorgang beeinflusst den Geschmack des Weines.
Sara stellt klar, je günstiger ein Marsalawein, desto weniger gereift und desto minder sein Geschmack. Wie ist ihr Rat; lieber weniger trinken, dafür eine ausgezeichnete Qualität genießen.
Endlich darf verkostet werden.
Viele Informationen erfahren wir über den Marsalawein und die Herstellung. Immer wieder wird in dem langen Gang Halt gemacht. Wir ahnen jedoch, dass am Ende des langen Ganges, den wir zwischen den Weinfässern zuhörend und Fotos machend, hinaufschleichen, die Verkostung auf uns wartet. Wir wären inzwischen alle bereit dazu, denn über die Entstehung eines Marsalaweins haben wir nun ausreichend gehört.
Jeder hat einen Platz ergattert, vor sich drei Gläser mit unterschiedlichen Marsalas und dazu immer einen kleinen passenden Snack. Denn nur Unwissende schlürfen einen Marsalawein zu irgendeinem Essen. Wir werden gefragt, was wir schmecken und riechen und schlürfen dann den Wein, balgen ihn im Mund herum und schlucken ihn. Essen den dazu bestimmten Snack und bekommen erklärt, warum man was zu welchem Marsalawein isst. Auch wenn die Gläser nur schwach gefüllt sind, so gelingt es mir nicht, sie um diese Uhrzeit zu leeren.
Nach der Verkostung
Es ist Sonntag, inzwischen Mittagszeit und auch die Polizei sitzt vor einem Teller Pasta und kümmert sich wenig darum, ob scharenweise angesüffelte Autofahrer den großen Hof der Kellerei Florio verlassen.
Schön war’s, interessant war’s und natürlich auch lecker. Jetzt werde ich erst einmal den Modergeruch von mir abwaschen, der mir irgendwie noch immer in der Nase und an den Kleidern hängt und direkt danach zum Mittagsschlaf übergehen. Anschließend bin ich hoffentlich wieder so klar im Hirn wie vor der Verkostung.